Folge R – Von RRMS über SPMS bis PPMS:

Ein Blick auf die MS-Verlaufsformen

Folge R – Von RRMS über SPMS bis PPMS:

Ein Blick auf die MS-Verlaufs-formen

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Mit der sympatischen und humorvollen Podcasterin und Bloggerin Nele Handwerker (@ms.perspektive) spreche ich in dieser Folge darüber, was man unter den verschiedenen Verlaufsformen bei MS versteht. Sie erzählt außerdem davon, was sie mit ihrem bekannten Podcast „MS-Perspektive“ erreichen möchte, und gibt Einblicke in ihre ganz persönliche MS-Geschichte.

Neles MS-Steckbrief:

Alter: 42

Zeitpunkt der Diagnose: Sommer 2004

Verlaufsform: schubförmig-remittierend

Symptome: unter dem Uhthoff-Phänomen manchmal etwas schlechtere Sicht

Nicht-medikamentöse Therapieoptionen, die Nele nutzt: Sport, Ernährung, positive Lebenseinstellung

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🙂Hier sind die ausführlichen Shownotes für dich:

1. Was du in Bezug auf Multiple Sklerose gerne früher gewusst hättest:

Dass eine vorbeugende verlaufsmodifizierende Therapie ab Diagnose sinnvoll ist, um das Entzündungsgeschehen möglichst komplett zu unterbinden und das von Anfang an.

2. Wie ist die Idee zu deinem Podcast „MS-Perspektive“ entstanden und was möchtest du deinem Publikum dadurch mitgeben?

Ich liebe und höre Podcast schon sehr lange. Die Möglichkeit nebenbei Wissen oder Unterhaltung zu genießen, während ich die Wäsche aufhänge, spaziere, jogge, Gartenarbeit mache oder irgendwas anderes, finde ich angenehm. Ich muss nicht starr vorm Rechner oder Handy sitzen und einen Bildschirm betrachten.

Für meinen Podcast war mir wichtig, dass ich wissenschaftliche Erkenntnisse einfach verständlich weitergebe und es damit hoffentlich nicht 15 bis 20 Jahre dauert, bis eine MS-Patientin weit entfernt von einer Großstadt und entsprechendem MS-Zentrum von Neuerungen erfährt. Und natürlich will ich Mut machen, denn für die allermeisten Betroffenen gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, die eigene Erkrankung positiv zu beeinflussen und die eigenen Ziele im Leben weiterzuverfolgen. Ärzte können in den 15 min pro Quartal, die ihnen meist nur zur Verfügung stehen, keine umfassende Aufklärung liefern und Anregungen zu einem gesunden Lebensstil geben. Aber mit einem wöchentlich erscheinenden Podcast, dessen Folgen dauerhaft zur Verfügung stehen und die ich dann anhören kann, wann ich will, ist sehr viel Informationsvermittlung möglich.

3. Viele Menschen haben von den Begriffen RRMS, SPMS und PPMS gehört, wissen aber oft nicht genau, was sie bedeuten. Könntest du uns kurz erklären, wofür diese Abkürzungen stehen?

Traditionell wird Multiple Sklerose in RRMS, SPMS und PPMS eingeteilt. Dabei ist es wichtig sich vor Augen zu halten, dass es am ende eine Krankheit in verschiedenen Ausprägungen ist bei der immer zwei Prozesse in unterschiedlicher Gewichtung ablaufen – die Neurodegeneration und akute, lokal begrenzte Entzündungsherde.

Therapeutisch kann das Entzündungsgeschehen, was ich zuletzt genannt habe. Wenn das Entzündungsgeschehen dominiert, also Schübe auftreten oder neue Läsionen im MRT sichtbar sind, spricht von dem RRMS-Verlauf.

Dabei steht RR für relapsing-remitting, also schubförmig-remittierend, was immer noch nicht gut zu verstehen ist. Bei Schüben oder Läsionen ohne spürbare Symptome kommt es zu einer Entzündung im zentralen Nervensystem (ZNS), sprich dem Gehirn oder Rückenmark. Fehlgeschaltete Immunzellen, die vorher im Körper unterwegs waren, wandern in das ZNS ein und sorgen dort für die Zerstörung.

Die sekundär-progrediente MS, auch als SPMS bezeichnet, folgt der RRMS und manchmal erhalten Patienten auch erst in dieser Phase ihre Diagnose. Schübe und neue Läsionen im MRT treten hier nicht mehr oder kaum noch auf. Im Vordergrund stehen die Auswirkungen der akuten und diffusen Entzündungen. Denn obwohl die diffusen Entzündungen, die Neurodegeneration mit dem Untergang von Nervenzellen, von Anfang an existieren, stehen sie oft im Schatten der teilweise heftigen Schübe. An schleichende Veränderungen, die langsam verlaufen, kann man sich gewöhnen und es fällt schwer diese zu messen.

Und dann gibt es noch die primär-progrediente MS, die von Anfang an ohne Schübe zu einer stetigen Verschlechterung der Symptome und den körperlichen oder / und kognitiven Fähigkeiten führt. Diese Personen habe entweder keine oder kaum Schübe. Hier steht die Neurodegeneration von Anfang an prominent im Vordergrund.

4. Wie ist in etwa die Verteilung auf die 3 Verlaufsformen – welche ist die häufigste?

Zum Zeitpunkt der Diagnose gelten 80 bis 85 Prozent als RRMS-Patienten und acht bis zehn Prozent erhalten die Diagnose PPMS. Bevor es verlaufsmodifizierende Medikamente gab, wechselte die Hälfe der RRMS-Patienten in die SPMS-Phase, also eine zunehmende Verschlechterung von bestehenden oder neu auftretenden Symptomen.

Seit Beginn der 1990er ist viel passiert. Zum einen werden viele Menschen mit einem milden Verlauf diagnostiziert, da die Diagnosekriterien angepasst wurden und heutzutage schneller eine MS-Erkrankung festgestellt werden kann.

Außerdem gibt es die bereits erwähnten verlaufsmodifizierenden Medikamente, die vor allem den entzündlichen Teil der Erkrankung verlangsamen oder sogar stoppen können und dadurch die Langzeitfolgen nach hinten schieben können.

Als dritte Komponente kommt all das Wissen über Einflussmöglichkeiten hinzu, die wir als Menschen mit MS selbst in der Hand haben. Dazu zählen gesunde Ernährung, sportliche und geistige Aktivitäten, der Verzicht auf Rauchen, Alkohol und andere schädigende Genussmittel und der Bedeutung des psychischen Seelenheils.

Mein Motto an der Stelle lautet: Viel hilft viel. Je mehr positive und vorbeugende Faktoren man nutzt, umso besser. Neben den oben genannten kommen dann auch noch vorbeugende Impfungen und das Behandeln von Symptomen und weiteren Erkrankungen hinzu. Denn auch Karies, Bluthochdruck oder eine echte Grippe können die MS schneller voranschreiten lassen.

Die häufigste Form ist die RRMS.

5. Gibt es neben einer medikamentösen Behandlung der MS auch ergänzende Maßnahmen oder Strategien, die Menschen mit MS ergreifen können, um ihre Lebensqualität unabhängig von der Verlaufsform zu verbessern?

Ja, auf jeden Fall, die klassischen Dinge. Ernährung. Sport. Verzicht auf Suchtmittel. Guter und ausreichend Schlaf. Psychohygiene. Geistige Anregungen durch Bewegungen, das Erlernen einer neuen Sprache, dem Musizieren, Handarbeit und basteln oder anderen Dingen. Soziale Kontakte. All diese Dinge stärken dich und tragen zur Plastizität deines Gehirns bei. Dann können Schübe besser kompensiert werden.

Bitte beachtet bei der Ernährung, dass es keine bestimmte Diät sein muss oder soll. Eine vielfältige, ballaststoffreiche Ernährung, die alle wichtigen Nährstoffe enthält, ist eine exzellente Basis. Am besten so natürlich, saisonal und regional, wie möglich. Nahrungsergänzungsmittel sind nicht nötig, außer dein Ernährungsstil verbietet dir die Aufnahme bestimmter Stoffe. Denk dran, der Körper kann einige auch selbst herstellen, wenn du ihn dabei unterstützt. Wenig Zucker. Wenig Salz. Wenig verarbeitete Lebensmittel. Ein Fokus auf pflanzliche Nahrungsmittel.

Beim Sport gilt, zweimal pro Woche intensiv ins Schwitzen kommen, hilft dabei das Immunsystem positiv zu beeinflussen und einer Überreaktion, wie sie bei MS stattfindet vorzubeugen. Damit du ins Schwitzen kommst, sollten große Muskeln mit beteiligt sein, aber trainiere gern auch alle kleinen Muskeln und regelmäßig Koordination und Gleichgewicht.

Und bitte sprich Symptome an und hab keine falsche Scham. Denn für die allermeisten gibt es Hilfsmittel oder therapeutische Angebote, die deine Lebensqualität wieder steigern können.

6. Gibt es symptomatische Therapieangebote, die du selbst nutzt?

Aktuell nicht. Ich war einmal bei einer Reha, da fand ich großartig, dass ich so viel Sport- und Bewegungsangebote hatte sowie einige interessante Vorträge.

Ich lege aber seit meiner Diagnose im Jahr 2004 großen Wert auf eine gesunde Lebensweise und trinke seitdem fast nie Alkohol. Außerdem versuche ich permanent Neues zu lernen, um mein Gehirn anzuregen. Aktuell ist das ein zweijähriges berufsbegleitendes Studium zum Multiple Sklerose Management. Weiterhin treibe ich regelmäßig Sport und turne mit meiner Tochter auf den Spielplätzen herum. Mein Schlaf ist gut, meine Ernährung gut, wenn auch verbesserungswürdig. Aktuell probiere ich mich gerade am Intervallfasten, aber nur 12:12. Also nach dem Abendessen als Familie bis zum nächsten Morgen nichts mehr zu essen. Mal sehen, ob mir das auf lange Sicht gelingt.

7. Gibt es noch abschließende Worte, die du unseren Hörern mit auf den Weg geben möchtest?

Ich möchte dich ermutigen, dich aktiv mit der MS auseinanderzusetzen. Das muss gar nicht ständig sein und kann in Etappen erfolgen. Feststeht, dass du als gut informierte Person bewusst gesunde Entscheidungen treffen kannst und die Gefahr vor dem Ungewissen kleiner wird. Es ist absolut okay, mal Angst zu haben oder das Leben ungerecht zu finden, aber bitte komm nach kurzer Zeit wieder aus diesem emotionalen Zustand heraus und versuche aktiv beizutragen, statt passiv zu sein. Und welchen Weg du dann gehst, ist deine Entscheidung und abhängig von deinen Prioritäten.

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In der Folge erwähnte Links findest du hier:

Krankheitsbezogenes Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS)

Sportorientierte Kompaktschulung (SpoKs)

aMStart

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Wenn du nach der Folge noch mehr über mich und mein Coaching-Angebot erfahren möchtest, schau doch gerne auf meiner Website vorbei.

Hat dir die Folge gefallen? Dann freue ich mich sehr über deine Unterstützung. Du könntest mir z. B. Themenvorschläge machen, wenn dir etwas sehr am Herzen liegt, oder du könntest anderen Menschen von der Folge erzählen. Herzlichen Dank dafür!
Nele Handwerker